Tadsch Mahal

Der Wiedererkennungswert eines Produktes wird durch verschiedene Faktoren beeinflußt. In der Filmbranche ist es oft schon der Regisseur, der die Massen anzieht. Reiner Knizia gehört nicht erst seit kurzem zu den Spieleregisseuren, die die Massen ans Spielbrett ziehen und sie so schnell nicht mehr loslassen. Eine der Neuheiten im Spielejahr 2000 ist Knizias Tadsch Mahal, ein taktisches Spiel um die Kräfteverteilung in den Provinzen Indiens. Daß der Name eines der populärsten indischen Bauwerke (Taj Mahal) für diese Spiel leicht eingedeutscht wurde, stört nur oberflächlich. Läßt es auf den ersten Blick die Vermutung zu, das Spiel sei auf der Skala der Ernsthaftigkeit eher im unteren Drittel vertreten, wird bereits beim Lesen der verständlich und übersichtlich gestalteten Spielregel klar, daß die Namensabweichung weniger als Lesehilfe und mehr als Abgrenzung zur tatsächlichen Funktion des Bauwerkes (Mausoleum) verstanden werden darf. Begraben wird hier nämlich nur die Langeweile.

Die Ausstattung des Spiels entspricht den Erwartungen, die an ein Spiel des Verlages geknüpft werden dürfen: die DIN A4-förmige Schachten beherbergt den in Farbwahl und Design dezent aber ansprechend gestalteten Spielplan, umfangreiche Spielkarten und –plättchen sowie die Symbole der Macht in diesem Spiel, die Paläste. Alles findet seinen Platz, was durchaus erwähneswert, da in den Schachteln einiger Spiele spätestens nach dem ersten Transport die reine Anarchie herrscht.

Im Verlauf des Spiels versuchen die Spieler, Ihren Einfluß auf die Bereiche Religion, Militär, Politik und Gesellschaft sowie auf die wirtschaftlichen Erträge geltend zu machen. Außerdem bleibt auch der Großmogul vom Machstreben der Konkurrenten nicht verschont. Wer den größten Einfluß nimmt (einfache Mehrheit), darf einen oder mehrere Paläste in die aktuelle Provinz setzen. Kann er dies in mehreren Provinzen und setzt sie so geschickt, daß Paläste aus verschiedenen Provinzen aneinander grenzen, kann er damit einen Haufen Punkte scheffeln. Für denjenigen, der beim Bau der Paläste den Anschluß verpaßt hat, bleibt die Möglichkeit, über den Einfluß auf die wirtschafltichen Erträge weiterhin im Spiel zu bleiben. Die hier gewonnenen Erträge werden nämlich nicht nur einfach sondern im Verlauf des Spiels jedes mal gewertet, wenn ein Ertrag derselben Sorte dazu kommt. Mit ein bißchen Übersicht kann man auch vorausschauend seine Karten sammeln und dann gezielt zuschlagen. Überhaupt ist sowohl die Möglichkeit der Einflußnahme und damit des Punktesammelns als auch der Spielverlauf insgesamt mitunter recht variantenreich. Die Machtverhältnisse können sich im Verlauf des Spiels deutlich verändern. "Gut begonnen - halb gewonnen" gilt hier also nur eingeschränkt. Dies trägt in angemessener Weise zur Ausgewogenheit bei. Durch die zufällige Verteilung der Wertung der Provinzen wird außerdem gewährleistet, daß jedes neue Spiel zu einer neue Strategie und variablem Vorgehen einlädt.

Nach jeder Provinz wird gewertet. Als Belohnung gibt’s Punkte (für Paläste und Rohstoffe) und Sonderkarten, die den Einfluß auf einzelne Bereiche stärken.

Nach gut eineinhalb Stunden weiß jeder wo er steht. In der zwölften Provinz geht es noch mal um die Wurst, denn hier sind Sonderpunkte drin. Ist auch diese letzte Provinz gewertet, steht der Sieger fest.

"Ein typischer Knizia" wird so mancher sagen, und ganz unrecht hat er damit nicht. Dennoch liegt der mathematische Anteil von Tadsch Mahal eher in der Taktik, im Vorausschauen. Grundsätzlich gilt: keine Karten – kein Einfluß. Also ist es durchaus auch mal ratsam, eine Provinz sausen zu lassen und damit Kräfte für die nächste Runde zu sammeln. Auch der kommunikative Anteil des Spiels ist durch das Konkurrenzverhalten beim Ausspielen der Karten gegeben; keiner spielt nur vor sich hin. Franz Vohwinkel, längst schon der Ennio Morricone des Spielbretts, trägt graphisch seinen Beitrag zum Spielvergnügen bei. Ein kleines Manko: die Sonderkarten tragen die gleichen Symbole wie die übrigen Einflußkarten, haben jedoch eine andere Bedeutung. Hier wäre eine klarere Abgrenzung nötig.

Zwar beinhaltet Tadsch Mahal keine revolutionären Spielideen. Dennoch sollte es alles in allem in keiner Sammlung fehlen, da es Altes und Neues verbindet. Unterhaltsam und variabel ist es allemal, und der Preis von z.Zt. ca. 60,00 DM ist gerechtfertigt.

Axel Bungart