Luding Logo

LUDING

VIELE KÖCHE VERDERBEN DEN BREI!


Titel: a la carte
Hersteller: Moskitoverlag, München
Spieldauer: 20 - 30 Minuten
Spieler: 3 - 4, ab: 10 Jahren
Kategorie: kulinar(r)isches Glücks- und Strategiespiel
Preis: ca. 300,-- ÖS
Positiv: Spielidee, Verpackung
Negativ: Ausführung der Teile

Die Sehnsucht nach dem Außergewöhnlichen besteht in der Menschheit seit Jahrtausenden. Nicht nur Symbole des Reichtums und der Macht sind hier zu nennen, sondern vor allem auch die Tradition der kulinarischen Genüsse spricht eine klare Sprache. Bereits aus der Frühzeit des Menschen gibt es Zeugnisse, daß die Aufnahme von Nahrung nicht nur dem bloßen Überlebensdrang diente, sondern sehr bald stellte das Essen auch eine Art von Kultur dar, indem man versuchte ein "normales" Gericht durch Zutaten zu verbessern oder aber ausgefallene seltene Speisen zuzubereiten. Wie sehr hier bereits der Geschmack eine Rolle spielte, beweist auch die Geschichte von Kain und Abel, in der ein Linsengericht gegen das Recht des Erstgeborenen eingetauscht wurde. Doch wenn man die Entwicklung der Eßgewohnheiten näher betrachtet, wird man feststellen, daß es bis herauf in unsere Zeit auch immer wieder Phasen gegeben hat, in denen nur das Überleben eine Rolle spielte. Zuletzt war dies im zweiten Weltkrieg der Fall, dementsprechend war die nachfolgende Entwicklung auch vom Trend zu großen Portionen mit möglichst hohem Nährwert geprägt, daß Aussehen war zu diesem Zeitpunkt ebenso zweitrangig wie der Wunsch nach Exklusivität. Es erschien einem bereits die Menge exklusiv genug im Vergleich zu den mageren Jahren des Krieges. Als sich in den fünfziger Jahren der Trend zum Reisen entwickelte, war die italienische Küche diejenige, welche das Außergewöhnliche in der Kulinarischen Landschaft darstellte. Diese Phase verebbte, sobald an jedem Eck ein italienisches Restaurant eröffnete. Doch in den letzten 10 bis 15 Jahren scheint eine Entwicklung besonders stabil zu sein, die zur perfekt arrangierten Küche mit dem Hang zum leichten und ausgefallenen Essen tendiert. Wer kennt die ausgefallenen und oft auch perfekten Kreationen nicht, die einem so manchen Abend verschönen? Und doch ist es nicht nur die kulinarische Landschaft, die sich hier verändert hat, sondern vor allem auch derjenige, welcher dahintersteht: Der Koch. Seine Rolle hat sich sicherlich in ähnlichem Ausmaß verändert wie die Speisen, welche zubereitet werden: War er einstmals ein Sklave des Herrschers, dem man mißtraute und einen Vorkoster vor die Nase setzte, wurde er in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend angesehener: Diese Art der Persönlichkeitsentwicklung führte ihn über den Dienstboteneingang und den Hinterhof, in dem er schwitzend nach getaner Arbeit seine Zigarette rauchte und dabei auslüftete bis direkt zum Tisch der Gourmets in den achtziger und neunziger Jahren dieses Jahrhunderts. Heute wird es als Ehre empfunden, wenn der Meister des Herdes gleichsam als Amuse geule einmal pro Abend in herrlicher weißer und blitzsauberer Montur durch das Restaurant schwebt und jedem freundschaftlich einen Blick schenkt, um dann wieder hinter jener Tür zu verschwinden, aus der heute kein Duft mehr hervordringt und frühzeitig verrät, was da an Köstlichkeiten auf den Tisch kommt. Die Persönlichkeitsentwicklung des Koches hat aus ihm, dem einfachen Erzeuger von Speisen den vielbewunderten Künstler gemacht, der wie ein Maler die Farben bei der Zubereitung mischt und wohl weiß, wie wesentlich der leere weiße Hintergrund des Tellers ist, wenn es darum geht, ein Lammnüßchen in vollem Glanz erstehen zu lassen oder das Zimtparfait mit Chili besonders zur Geltung zu bringen.

Wer den Genuß einer Gourmetküche einmal kennengelernt hat, wird immer wieder danach suchen und sich die Frage stellen, wie man so eine Vollkommenheit erreichen kann oder aber warum der gedünstete Seeteufel diesmal eine Spur zu intensiv schmeckte. Doch die Zahl der Gourmets, die selbst einmal versucht haben zu kochen, ist eher klein. Dieses Manko wird bei einem neuen Spiel von Karl Heinz Schmiel mit Sicherheit ausgemerzt. Es ist hier auch nicht nötig, sich vor dem Kochen zu fürchten. Denn es gibt hier eine ganze Reihe von Gerichten, die man kochen kann, ohne auch nur die leiseste Ahnung zu haben, wie ein Herd eingeschaltet oder ein Teller abgewaschen wird: Hiezu gehören Zungen-Roulade auf Senf-Sabayon, Gamsleber in süßer Sahne, verlorene Eier in Aspik, Flugente auf Rotkraut, Beinschinken in Heu gewendet, Nilpferd in Burgunder (braucht relativ viel Platz!), blutige Entenbrust auf Meeresalgen, Lammkeule Ärdistan und viele andere hervorragende Speisen. Für ganz Ungeschickte gibt es ebenfalls einiges zu kochen: Eine Fastensuppe sowie ein Leberkäs Hawai sind relativ anspruchslos, das Kaffeewasser a la Beaucuse ist zwar ebenfalls sehr leicht zuzubereiten, doch ist man mit diesem hervorragenden Namen bereits in den Musentempel der Kochsuperlative aufgefahren.

Zu Beginn erhält jeder Spieler eine Herdplatte aus Papier mit 7 Kochstufen sowie eine Pfanne, in der gekocht wird. Die Rezepte der oben erwähnten Gerichte liegen sichtbar in der Tischmitte auf. Auf ihnen ist vermerkt, wie heiß gekocht werden muß und welche Gewürze in welcher Menge zuzusetzen sind. Zur Auswahl stehen in vier kleinen Fläschchen Holzklötzchen in verschiedenen Farben, die Oregano, Paprika, Pfeffer und Zitrone symbolisieren. Doch da war jemand bei Abfüllen sehr unachtsam: In jedem Fläschchen befindet sich auch Salzstücke, die irrtümlich mit heraus geleert werden können. Das ist bei diesen Rezepten zwar nicht immer schlimm, denn auch nicht vorgesehene Gewürze können verwendet werden, doch von keinem dürfen mehr als 2 Stücke in der Pfanne sein, sonst ist das Gericht "versaut". In jeder Spielrunde kann man drei Dinge tun, um sein Gericht fertig zu kochen: Entweder man würzt dreimal oder man würfelt dreimal oder man kombiniert diese beiden Dinge. Doch der Würfel hat es in sich: Zum Teil sind ganz "normale Würfelseiten" von 1 bis 3 vorhanden, mit denen man seinen Herd um 1 - 3 Stufen höherstellen kann, oder aber man würfelt ein "A", das bedeutet, daß alle ihre Kochplatte um eine Stufe höher stellen müssen. Unter Umständen genügt das bereits, um ein Gericht zu verbrennen. Auf zwei weiteren Würfelseiten ist außerdem ein "W" zu lesen, das für "Würzen" steht und das der Alptraum eines jeden Kochs ist: Denn hier kann man einem beliebigen Mitspieler irgend ein Gewürz ins Essen werfen. Nicht selten ist das auch das unrühmliche Ende einer Speise. Doch um das Ganze noch komplizierter zu machen, gibt es auch die Möglichkeit, zum Kaffeekränzchen einzuladen und dabei einen "Herdwechsel" unter den Mitspielern zu veranlassen. Damit wird man seinen "versauten Fraß" los und bekommt vielleicht vom Nachbarn auch noch ein fast fertiges Gericht.

"A la carte" ist ein gelungenes Spiel! Vor dem ersten "Kochkurs" gibt es allerdings einige Arbeit, denn es handelt sich beinahe um eine "Do it yourself" Version, was bei einem Privatverlag wie Moskito auch nicht verwundert: Die Rezeptkärtchen müssen beklebt und Gewürzfläschchen beschriftet werden. Der Würfel ist zwar fertig aber ebenfalls sichtlich handgemacht, was eher negativ auffällt. Doch glauben wir, daß dieses Spiel den großen Verlagen neben der völlig neuen Idee noch etwas Anderes voraus hat: Für den reichen Inhalt ist die Verpackung sehr klein und das ist in einer Zeit, in der die Spielverpackungen immer größer und die Wohnungen eher kleiner werden als sehr positiv zu betrachten.

Spielen sie "a la carte"! Es lohnt sich, denn noch nie war es schwieriger ein halbwegs brauchbares Menü zustande zu bringen. Es war aber auch noch nie so einfach, ein Gericht zu kochen und es dann doch nicht essen zu müssen. Dieser Kochkurs ist prädestiniert für den gehässigen Koch, denn nirgends hat er die Chance, einem anderen so zielsicher ein Essen zu verderben. Und falls man schließlich doch gewonnen hat, war dieser Sieg hart erkämpft: Man braucht vier gelungenen Gerichte und das ist oft kaum oder auch gar nicht zu erreichen. Es empfiehlt sich jedenfalls als Sieger durchaus den weißen Berufshabit des Meisterkoches anzulegen und einmal gnädig lächelnd durch die Reihe der anbetenden Gourmets zu schreiten, um dann für eine weitere Runde Platz zu nehmen. Denn die anderen Köche warten nur darauf, den Meisterkoch von seinem Podest zu stoßen und selbst wenigstens für einige Augenblicke zum Idol der novelle cuisine zu werden.

von Dr.Peter und Birgit Költringer


Copyright Peter und Birgit Költringer 2002

Dieser Spieletest wurde von Univ.Prof.Dr.Peter und Birgit Költringer geschrieben und beinhaltet daher auch ihre eigene Meinung. Er erscheint auch in ihrer wöchentlichen Spielerezension in den Salzburger Nachrichten (http://www.salzburg.com/sn). Eine Verbreitung ist unter Quellenangabe gestattet, sofern die Autoren, die Erscheinungsquelle und die Rezension nicht verändert wurde und weiter die Autoren davon Kenntnis und ein Belegexemplar erhalten.

Die Autoren haben mit keinem Spielzeughersteller berufliche Verbindungen und sind völlig unabhängig. Anfragen sind über EMail an spiele.koeltringer@utanet.at zu richten.