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KUGELN UND DIE FASZINATION DER GEOMETRIE


Titel: Abalone
Hersteller: Fédération Internationale de Jeu d'Abalone
Spieldauer: 20 - 50 Minuten
Spieler: 2, ab: 8
Kategorie: Taktikspiel
Preis: 600 - 700,-- ÖS
Bewertung: **** (sehr gut)

Kugeln als Spielobjekt sind seit über zweitausend Jahren bekannt. Schon von den alten Römern wissen wir, daß Mamorkugeln für ein Spiel Verwendung fanden, bei dem derjenige Sieger war, der einem Zielplatz am nächsten kam. Ab dem Mittelalter ging die Entwicklung des Spieles mit Kugeln rasant weiter: Einerseits entwickelte sich eine ganze Sportgattung, die vom "Pallone", einem Vorläufer des heutigen Schlagballspieles bis hin zum Polo reichte, welches über Persien nach Europa gelangte. Andererseits entstand eine Gattung von Spielen mit Kugeln, die unter dem Begriff eines "Murmelspieles" zusammengefaßt werden kann. Lange Zeit hindurch wurden die kleinen Kugeln aus Marmor, Marmelstein, Ton oder Glas als Kinderei abgetan, so wird in einem anonymen Gedicht um 1600 ein Schuljunge beschrieben, der zwar in der Grammatik ein "Dummkopf" aber beim "Schussern"(eine alte Bezeichung für Murmelspiel) ein Genie gewesen sein soll. Martin Luther war ein großer Befürworter des Murmelspieles und von Admiral Nelson berichtet eine Anekdote, daß dieser vor der siegreichen Schlacht in Trafalgar "marbles" gespielt haben soll und hier sich einige Tips für seine Schlachtordnung geholt habe. Bis heute hat das Spiel mit den kleinen Kugeln nichts von seinem Reiz verloren. Ganz im Gegenteil, seit knapp zwei Jahren hat sich in Europa und in Amerika eine neue Perspektive auf diesem Sektor aufgetan, die weltweit viele fanatische Anhänger gefunden hat. Die beiden Franzosen Michel Lalet und Laurent Levi haben "Abalone" kreiiert, das an Taktik den großen alten Strategiespielen wohl kaum nachsteht und das trotz einer genialen einfachen Grundstruktur.

"Abalone" war zwar weltweit bereits ein "Renner", doch in Österreich ist es bis heute weitgehend unbekannt, denn erst jetzt ist es hier erhältlich. Dieses Spiel besitzt eine der leichtest verständlichen Spielregeln, die man sich überhaupt vorstellen kann. Am besten lernt man es durch ein erstes "Spielchen", denn hier hat man innerhalb von wenigen Minuten nicht nur die Regel sondern auch die Spannung und Faszination voll erfaßt. Zwei Spieler erhalten je 14 weiße bzw. schwarze Glaskugeln, die auf einem sechseckigen Brett gegenüber aufgebaut werden. Danach verschieben sie abwechselnd bis zu drei Steinen in einer Reihe vorwärts, rückwärts oder seitlich. Wenn ihnen gegnerische Steine gegenüberstehen, können diese mitgeschoben werden, wenn ihre Zahl kleiner ist. Das bedeutet, drei Kugeln können ein oder zwei gegnerische verschieben und umgekehrt. Dabei entstehten die imposante geometrische Muster. Wer auf diese Weise dem Widersacher 6 seiner Murmeln über das Spielbrett hinausgeschoben hat, ist Sieger, doch uns ist noch kein Spieler untergekommen, der nicht fasziniert eine Revanche nach der anderen gefordert hat. Denn dieses Spiel besitzt ein beachtliches "Suchtpotential": Selbst wenn man ständig verliert, muß man weiterspielen, denn irgendwann glaubt man, eine Strategie gefunden zu haben, welche den Gegner zum Dauerverlierer machen würde, doch auch diese Rechnung geht fast nie auf, den auch der Kontrahent heckt neue Strategien aus... So ist ein echtes Ende nie abzusehen. Jedes Spiel stellt somit praktisch lediglich eine "Einstiegsdroge" für weitere "Abalonepartien" dar.

Aber "Abalone" fasziniert nicht nur durch die einfachen Regeln sondern auch die Ausführung überzeugt in vollem Umfang: Bei diesem Spiel kann man wirklich von "Spieldesign" sprechen, es ist eines derjenigen wirklich raren Stücke, welches man am besten offen als Blickfang in der Wohnung aufstellt. Und für ein "Designstück" ist auch der Preis durchaus gerechtfertigt, der auf Anhieb etwas hoch erscheint.

Seit der Erfindung dieses Spieles hat es sich beinahe seuchenartig ausgebreitet. Allein im letzten Jahr wurden weltweit 250000 Stück verkauft. Doch damit ist die Entwicklung noch nicht zu Ende. Im Ausland sind bereits farbige Zusatzkugeln erhältlich, denn man kann Abalone auch zu dritt mit je 11 Kugeln spielen. Auch Kugeln für Blinde mit unterschiedlich rauher Oberfläche sind in Vorbereitung und für die ganz Noblen unter den "Abalonisten" wurde auf der diesjährigen Spielwarenmesse in Nürnberg eine "Chefetagenausführung" vorgestellt, die mit Kugeln in Billardgröße gespielt wird. Doch egal wie groß, dieses Spiel überzeugt und wurde wirklich zu Recht bereits in vier Ländern zum Spiel des Jahres gekürt. Admiral Nelson hätte sicher nicht "marbles" sondern "Abalone"gespielt, wenn die Schlacht nicht am 21.10.1805 sondern am 21.10.1990 gewesen wäre.

von Dr.Peter und Birgit Költringer


Copyright Peter und Birgit Költringer 2002

Dieser Spieletest wurde von Univ.Prof.Dr.Peter und Birgit Költringer geschrieben und beinhaltet daher auch ihre eigene Meinung. Er erscheint auch in ihrer wöchentlichen Spielerezension in den Salzburger Nachrichten (http://www.salzburg.com/sn). Eine Verbreitung ist unter Quellenangabe gestattet, sofern die Autoren, die Erscheinungsquelle und die Rezension nicht verändert wurde und weiter die Autoren davon Kenntnis und ein Belegexemplar erhalten.

Die Autoren haben mit keinem Spielzeughersteller berufliche Verbindungen und sind völlig unabhängig. Anfragen sind über EMail an spiele.koeltringer@utanet.at zu richten.