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HERR OBER, ZAHLEN!


Titel: Cafe International
Hersteller: Mattel
Spieldauer: 30 - 45 Minuten
Spieler: 2 - 4, ab: 10
Kategorie: taktisches Legespiel
Preis: 349,-- ÖS
Bewertung: **** (sehr gut)

Das Cafehaus war und ist in vieler Hinsicht eine spezielle Art von gesellschaftlichem Zentrum: Man traf sich dort, um die neuesten Nachrichten weiterzugeben oder zu erhalten, trank seinen Cafe, las die Zeitung, schmauchte seine Pfeife und vor allem war man in Gesellschaft und holte sich dort seine Impulse. Es wurde beraten, besprochen, geunkt, philosophiert, gedichtet, gelacht und gespielt. Auch im zwanzigsten Jahrhundert hat das Cafehaus noch seine Funktion, wenn auch in vielen Punkten mit geminderter Bedeutung, doch ein richtiges Cafe beinhaltet auch zehn Jahre vor der Jahrtausendwende viel an "Information": Ob die Nachbarin schon wieder an Migräne leidet, ob der Herr Ingenieur schlimme Kinder hat oder ob der Herr von Gegenüber schwer erkrankt ist, alles kann man in einem "anständigen Cafehaus" erfahren. Auch die Gerüchtebörse hat dort Hochsaison: Da hört man, daß die Tochter von Frau Meier ein Kind bekommen soll, obwohl sie keinen fixen Freund habe und noch nicht fünfzehn sei, daß bei der Frau Direktor der Hund ermordet wurde, sie ihm keine Träne nachweine und sich angeblich drei neue besorgen wolle und daß der Herr Hofrat täglich mit der kühlen Blonden aus der Nebenstraße spazierengehe, obwohl er dazu doch viel zu alt sei und er sich besser aufs "kühle Blonde" im Glas beschränken sollte, mit dem würde er weit eher fertig werden. Doch nicht nur diese Dinge werden besprochen und kommentiert sondern auch harte Kritiken oder Verbesserungsvorschläge für die Weltpolitik sind zu bekommen: Daß alles im Staate schiefgehe, daß die Steuern viel zu hoch seien, daß österreichische Astronauten lieber nicht mit russischen Raketen fliegen sollten und der Papst besser auf die vatikanische Bank aufpassen müsse als dauernd in der Welt spazieren zu fliegen.

Wesentlich für den Erfolg des Cafes waren und sind vor allem die richtigen Gesprächspartner: Denn was hilft das schönste Gerücht, wenn man es nicht an den Mann bringen kann? Was nützt die herrlichste Unterstellung, wenn sie niemand weitererzählt, was wird aus dem bösartigsten Kritiker, wenn er niemanden hat, der ihm widerspricht oder zumindest zuhört? Und was hilft der eifrigste Weltverbesserer, wenn niemand da ist, der findet, daß es etwas zu verbessern gibt? Aber nicht nur in der Realität ist das richtige Gegenüber entscheidend sondern auch im "Cafe International", einem neuen Spiel, das vor wenigen Monaten erschienen ist und von Rudi Hoffmann erfunden wurde. Es repräsentiert eine interessante Spielidee: Die des Legespieles, bei dem sowohl Taktik als auch Glück wesentlich ist. Die zwei bis vier Mitspieler müssen Vierertische in einem Cafe besetzen, die jeweils für eine bestimmte Nation reserviert sind. Sie übernehmen damit also die Funktion der Ober, die den am Eingang wartenden Gästen ihre Sitze zuweisen. Der Platz zum Warten ist für ein Cafe eher ungewöhnlich und würde im wirklichen Leben nicht gerade zur Attraktivität des Lokals beitragen, aber hier regt sich niemand auf. Die Gäste, von Karten dargestellt, müssen in einem kleinen dunklen Sack warten, bis die "Ober" sie nach dem Zufallsprinzip herausholen und an den entsprechenden Nationentisch setzen. Nur Bürger aus dem entsprechenden Land dürfen dort Platz nehmen, bei Sesseln zwischen zwei für verschiedene Länder reservierten Tischen dürfen Besucher aus beiden Ländern ihren Cafe schlürfen. Für jeden richtig belegten Platz gibt es Punkte, jeder "reinrassige" Nationentisch bringt doppelten Gewinn. Falls ein Gast nicht mehr korrekt an einem Tisch Platz nehmen kann, muß er an die Bar übersiedeln, wobei die Barhocker jedoch in der Mehrzahl der Fälle Punkteabzüge verursachen. Am Ende gewinnt derjenige, der die meisten Punkte hat.

"Cafe International" zeichnet sich sowohl durch die übersichtliche Anleitung als auch durch ständig wechselnde Variationen aus. Durch empfohlene Zusatzregeln wie Geburtstagstische oder Damenkränzchen bleibt es auch nach längerer Zeit noch interessant. Und manchmal glaubt man beinahe ein Raunen vom Spielbrett zu hören: "Haben Sie schon gehört, die Freundin von ...." - "Sein neues Auto soll dreihundert PS haben ...." "Ich weiß, wie man unser Staatsdefizit reduzieren könnte, dazu braucht man nur...". Und dann möchte man laut ausrufen: "Herr Ober zahlen!"

von Dr.Peter und Birgit Költringer


Copyright Peter und Birgit Költringer 2002

Dieser Spieletest wurde von Univ.Prof.Dr.Peter und Birgit Költringer geschrieben und beinhaltet daher auch ihre eigene Meinung. Er erscheint auch in ihrer wöchentlichen Spielerezension in den Salzburger Nachrichten (http://www.salzburg.com/sn). Eine Verbreitung ist unter Quellenangabe gestattet, sofern die Autoren, die Erscheinungsquelle und die Rezension nicht verändert wurde und weiter die Autoren davon Kenntnis und ein Belegexemplar erhalten.

Die Autoren haben mit keinem Spielzeughersteller berufliche Verbindungen und sind völlig unabhängig. Anfragen sind über EMail an spiele.koeltringer@utanet.at zu richten.