Man nehme 72 Pappkartonplättchen und einige Holzfiguren: Schon ist ein neues Spiel fertig. Die Rede ist von einem neuen Legespiel. Doch wer nun meint, hier eine Neuauflage eines der altbekannten Varianten vor sich zu haben, der irrt gründlich. Das merkt man spätestens, wenn man die einzelnen Kärtchen betrachtet: Sie zeigen mit ihrem liebevollen detailreichen Darstellungen all das, was man unter "mittelalterlicher Kulturlandschaft" versteht.
Nicht umsonst ist dieses Spiel nach der einzigartigen südfranzösischen Stadt "Carcassone" benannt, welche bis heute ihren mittelalterlichen Stadtcharakter zur Gänze erhalten konnte. Wer einmal zu Fuß - anders geht es gar nicht - in dieser Stadt war, wird sie wohl nicht mehr vergessen. Vielleicht gilt dasselbe auch für das gleichnamige Spiel, denn es erscheint wahrlich hitverdächtig.
Ausgehend von einem offen aufgelegten Startplättchen, auf dem eine Straße und eine Wiese abgebildet sind, müssen die Spieler nun reihum je ein weiteres Plättchen verdeckt ziehen und anlegen. Dabei darf aber nur so angelegt werden, dass auch wirklich alles zusammen passt: Straßen müssen weitergehen, Sackstraßen sind nicht erlaubt, Wiesen dürfen nur an Wiesen grenzen und an einen Stadtteil darf nur ein weiterer Stadtteil angelegt werden. Außer den bereits erwähnten Straßen, Wiesen und Stadtteilen mit Wehrmauern gibt es auch noch Klöster, die großteils vollständig von Grünland umgeben sind. In Einzelfällen führt auch eine Straße dorthin.
Nachdem man seine Plättchen gelegt hat, darf man auch noch eine seiner sieben Holzfiguren setzen: Abhängig davon, wo gesetzt wird, kann man die Figur zum Ritter, Mönch, Wegelagerer oder Bauern ernennen und abhängig vom jeweiligen Ort gibt es auch Punkte. Um Streit zu verhindern, darf aber pro Gebiet nur eine Figur aufgestellt werden. Wenn man also selbst schon einen roten Ritter in einem Stadtteil gesetzt hat, darf kein anderer Mitspieler einen weiteren in diese Stadt setzen, selbst dann nicht, wenn er sie erweitert hat. Sollte sich jedoch im Rahmen des Bauens ein Zusammenwachsen von gleichen Gebieten ergeben, kann es trotzdem vorkommen, dass z.B. zwei oder mehrere Figuren in einer Stadt stehen. Hier erhält derjenige die Punkte, der mehr Figuren in diesem Gebiet hat, bei Gleichstand bekommen beide Figurenbesitzer den vollen Punktelohn. Während des gesamten Spieles gibt es Punkteabrechnungen für fertige Städte, Straßenstücke und Klöster. Gleichzeitig darf dann das "Personal" dieser Plättchen wieder in den eigenen Figurenvorrat zurückkehren und neuerlich eingesetzt werden. Sobald alle Plättchen gelegt sind, erfolgt die letzte Abrechnung und da gibt es auch für unfertige Straßen, Klöster oder Städte noch einige Punkte. Gleichzeitig werden auch die Bauern entlohnt - sie konnten ja das ganze Spiel über nicht abgerechnet werden: Jeder Bauer, dessen Wiesen an eine fertige Stadt grenzen, erhält dafür Punkte. Diese Auswertung kann spielentscheidend sein, denn sehr häufig entstehen sehr große Wiesenstücke mit einer Vielzahl von Städten darin. Natürlich kommt es auch hier vor, dass durch das Zusammenwachsen der Karten im Laufe des Spiels mehrere Bauern auf ein- und demselben Gebiet stehen, die Art der Abrechnung ist dabei identisch zur Ritterabrechnung in den Städten, wo der Figurenreichste die Punkte einstreift.
"Carcassone" ist ein wunderschönes Legespiel, dass viele Möglichkeiten bietet und auch viel Nachdenken erfordert. Manchen ist vielleicht der Glücksfaktor zu hoch, denn man zieht ja das Kärtchen, das man legt, verdeckt und kann es sich nicht aussuchen. Dem kann etwas abgeholfen werden, in dem man jedem Spieler zwei Kärtchen zu Beginn gibt, aus denen man für das Legen auswählen kann. Durch Nachziehen bleibt dieser Vorrat dann während des ganzen Spieles konstant. Im Internet finden sich auch noch andere Regelvarianten - ein sicheres Zeichen, dass dieses Spiel bereits kurz nach seinem Erscheinen auf dem besten Weg ist , ein Klassiker unter den Legespielen zu werden.
Birgit und Peter Költringer
Titel |
Carcassone |
Hersteller |
Hans im Glück |
Erfinder |
Klaus Jürgen Wrede |
Design |
Doris Matthäus |
Spieldauer |
25 - 30 min |
Spieler |
2 bis , ab 10 Jahren |
Kategorie |
taktisches Legespiel mit Glücksfaktor |
Preis |
ca. 230,-- öS |
Bewertung: |
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Idee |
6 |
Regelgestaltung |
6 |
Ausführung |
6 |
Verarbeitung |
6 |
Copyright Peter und Birgit Költringer 2002
Dieser Spieletest wurde von Univ.Prof.Dr.Peter und Birgit Költringer geschrieben und beinhaltet daher auch ihre eigene Meinung. Er erscheint auch in ihrer wöchentlichen Spielerezension in den Salzburger Nachrichten (http://www.salzburg.com/sn). Eine Verbreitung ist unter Quellenangabe gestattet, sofern die Autoren, die Erscheinungsquelle und die Rezension nicht verändert wurde und weiter die Autoren davon Kenntnis und ein Belegexemplar erhalten.Die Autoren haben mit keinem Spielzeughersteller berufliche Verbindungen und sind völlig unabhängig. Anfragen sind über EMail an spiele.koeltringer@utanet.at zu richten.