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LUDING

DAS GEHEIMNIS DER ALTEN MEISTER!


Titel: Cathedral

Hersteller: Mattel
Spieldauer: 10 - 20 Minuten
Spieler: 2, ab: 10
Kategorie: Strategiespiel
Preis: ca. 500,-- ÖS
Bewertung: **** (sehr gut)

Wer von uns kennt Florenz nicht oder hat zumindest schon viel über diese Stadt gehört, gelesen oder gesehen. Mehr als einen Tag kann man durch diese Stadt streifen, ständig neue Paläste, Türme, Kirchen und Brunnen sehen oder aber einfach nur die engen mittelalterlichen Straßen genießen, die diesem Juwel Italiens seinen ganz bestimmten und einzigartigen Flair verleihen. Die Neuzeit ist zwar sicher nicht spurlos daran vorbeigezogen, doch der alte Stadtkern, jene Zone, die einst durch die wuchtigen Mauern den Einfluß und die Macht dieses reichen Handelszentrums signalisierte, ist im Wesentlichen bis heute unverändert geblieben. Aber das, was heute wie ein gelungenes Ensemble von Kunstwerken und architektonischen Spitzenleistungen anmutet, war vor fünfhundert Jahren oftmals hartumkämpft: Politisch mächtige Gruppen wie die Medici sorgten ebenso für Turbulenzen, wie die Unterschiedlichkeit der einzelnen Kunsthandwerker und der Baumeister. Zentrum des mittelalterlichen Florenz war und ist die Kathedrale, die von Giotto begonnen wurde, doch auch die Enstehung dieser Kirche war nicht ohne Dissonanzen: Bereits bei der Ausschreibung der Kuppel gab es grobe Streitereien: Der Gewinner, Filippo Bruneleschi, ein Autodidakt, der eigentlich Notar hätte werden sollen, präsentierte ein revolutionäres Projekt, das einen Kuppelbau ohne Gerüst vorsah. Zuerst erntete er nur Lachstürme der Mitbewerber, doch durch seinen Sieg hatte er sich gleichzeitig auch sehr viele Feinde geschaffen. Die Kuppel steht bis heute und nach Fertigstellung der Kathedrale im Jahre 1436 begann um die Wende zum neuen Jahrhundert auch der Neuaufbau der Stadt in ihrem Glanz, wie wir ihn heute kennen.

Hier setzt das Spiel "Cathedral" von Robert Peter Moore ein, das sehr gut in dem Florenz der Medicis spielen könnte: Zwei Spieler betätigen sich als Baumeister, doch ziehen diese nicht am gleichen Strang, sondern versuchen, um die Kathedrale herum ihre Paläste, Brücken und Türme zu errichten. An den Farben der Bauwerke erkennt man, welchem Architekten sie gehören und es ist das Ziel eines jeden, möglichst alle Gebäude in der Stadt unterzubringen. Wenn ein Platz von einem Architekten geschlossen umbaut wurde, kann er ein fremdes Bauwerk innerhalb dieser Umgrenzung abreißen und den Platz nur noch selbst verwenden, auch die Kathedrale wird hier nicht verschont. Doch wenn sich mehr als ein fremdes Gebäude innerhalb dieser Umgrenzung befindet, kann dort jeder nach Belieben weiterbauen und es darf nichts mehr abgerissen werden. Je mehr das Stadtbild von den zwei verschiedenfärbigen Gebäudekomplexen beherrscht wird, desto mehr nähert es sich dem mittelalterlichen Florenz mit seinen verwinkelten, engen Gassen, in denen sich Palast an Palast und Bürgerhaus an Bürgerhaus reihen. Gewonnen hat am Ende derjenige, welcher mehr Gebäude in der Stadt unterbringen konnte. Nicht nur Macht und Prestige ist auf Seite des Gewinners sondern auch meist ein städtebauliches Konzept, daß sich zum Teil bis in die heutige Zeit finden läßt: Häuser sind so nahe aneinandergebaut, daß man sie nicht mehr betreten kann, hinter einer Brücke ragt eine hohe Befestigungsmauer quer über eine Straße und eine herrliche Kirche ist komplett von Mauern umschlossen. Doch einer hat sich durchgesetzt...!?

Cathedral ist ein äußerst erfrischendes Strategiespiel, daß in unheimlicher Geschwindigkeit gespielt werden kann und auch nach oftmaligem Spiel immer neue Baustrukturen zeigt. Meist ist die gesamte Stadt in 10 Minuten aufgebaut! Das Spiel besteht aus einer Grundplatte, die von einer Stadtmauer umgeben ist und detailreichen Gebäuden aus Kunststoff, wie Burg, Abtei, Zwinger, Brücke oder Bürgerhaus. Viele spannende Szenen sind garantiert, besonders wenn es gelingt, dem Gegner ein Gebäude vor die Nase zu setzen oder ein besonders sperriges Bauwerk des Kontrahenten abzureißen, weil man rundherum ein geschlossenes Bauensemble errichten konnte. Der Genuß steigt in höhere Regionen, wenn man seine Bauten "locker" in der Stadt unterbringt und vor dem Gegner eine ganze Sammlung auf dem Tisch liegen bleibt, die nicht mehr in die Stadt paßt. Neben diesen psychologischen Leckerbissen ist aber auch die Beschreibung lobend zu erwähnen, die es ermöglicht, innerhalb kürzester Zeit das Spiel zu verstehen. Vor allem aber bietet Cathedral im Vergleich zur Realität einen ungeheuren Vorteil: Auch das schlechteste städebauliche Konzept ist in dem Augenblick wieder vergessen, wenn um die Kathedrale einmal mehr eine neue Stadt zu wachsen beginnt. Giotto und Brunelleso würden staunen, wie schnell ihr mittelalterliches Florenz sein Gesicht verändert!

von Dr.Peter und Birgit Költringer


Copyright Peter und Birgit Költringer 2002

Dieser Spieletest wurde von Univ.Prof.Dr.Peter und Birgit Költringer geschrieben und beinhaltet daher auch ihre eigene Meinung. Er erscheint auch in ihrer wöchentlichen Spielerezension in den Salzburger Nachrichten (http://www.salzburg.com/sn). Eine Verbreitung ist unter Quellenangabe gestattet, sofern die Autoren, die Erscheinungsquelle und die Rezension nicht verändert wurde und weiter die Autoren davon Kenntnis und ein Belegexemplar erhalten.

Die Autoren haben mit keinem Spielzeughersteller berufliche Verbindungen und sind völlig unabhängig. Anfragen sind über EMail an spiele.koeltringer@utanet.at zu richten.