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Ohne Furcht und Adel


Dass man in einem Spiel Bauten errichten muss, ist an sich nichts Ungewöhnliches. Dass man dazu Geld benötigt, ist sogar selbstverständlich. Dass man aber auch seinen Charakter ändern muss, das ist wohl eher ungewöhnlich. Wer nun bereits ein etwas ungutes Gefühl in der Magengrube verspürt, dem sei der Titel des Spieles ans Herz gelegt: "Ohne Furcht und Adel".

Und das ist wörtlich zu nehmen und ist hier lebenswichtig, denn in diesem Spiel soll eine Stadt gebaut werden: Dafür gibt es Bauwerkkarten, wie zum Beispiel Kirche, Marktplatz, Schloss, Palast, Abtei, Turnierplatz, Universität und Rathaus. Insgesamt stehen 24 verschiedene Bauwerke zur Verfügung und das Errichten jedes Gebäudes kostet natürlich Geld: Die Universität schlägt sich zum Beispiel mit 6 Goldstücken zu Buche, glücklicherweise gibt es aber auch billigere Gebäude, denn zu Beginn des Spieles ist man arm wie eine Kirchenmaus: Startkapital sind vier zufällig zugeteilte Bauwerkskarten und zwei Goldstücke. Pro Runde kann man entweder zwei zusätzliche Goldtaler nehmen oder aber zwei Bauwerkskarten vom verdeckten Stapel ziehen. Bis zu diesem Punkt entspricht der Spielablauf weitgehend der allgemein bekannten Realität in der Stadtplanung, doch ab da finden sich neue Details: Denn da es an Geld nicht aber an Ehrgeiz mangelt, ist das Kernstück der Partie ein Satz Charakterkarten, mit denen man Spezialfunktionen erhält: Dabei stehen König, Meuchler, Dieb, Magier, Händler, Prediger, Baumeister und Söldner zur Verfügung und erst durch die jeweilige spezielle Charaktereigenschaft wird der Stadtbau zum wahren Vergnügen: Denn der selbstgefällige König legt fest, dass er in der nächsten Runde als Erster seinen Charakter wählen kann und damit die größte Auswahl hat. Der Dieb darf einen Nachbarn ganz offiziell um Hab und Gut beklauen und der Meuchler zwingt einen Teilnehmer zum Pause machen und Nichtstun - übrigens sieht man auch das bei öffentlichen Bauvorhaben hin und wieder; der Magier wiederum vertauscht Gebäudekarten nach Belieben und der Prediger erhält beim Bau eines jeden kirchlichen Gebäudes automatisch einen Punkt und zusätzlich dürfen all diese Gebäude auch nicht mehr abgerissen werden, denn sie stehen - so scheußlich sie auch sind - automatisch sofort unter Denkmalschutz - übrigens entspricht auch das weitgehend der österreichischen Rechtslage. Besonders beliebt ist auch die Rolle des Söldners, der unter anderem auch fremde Gebäude abreißen darf.

So wird dann auch im Laufe der Zeit die Stadt immer größer. Das Spiel endet, sobald jemand sein achtes Gebäude erbaut hat. Bei der nachfolgenden Abrechnung erhält man Punkte, die in Abhängigkeit von der Anzahl und Art der Gebäude unterschiedlich hoch sind. Zusatzpunkte für die schnellsten Baumeister werden zusätzlich gutgeschrieben.

"Furcht und Adel" ist ein ungewöhnliches kleines Kartenspiel, dass zuallererst durch das gelungene Design begeistert. Doch daneben findet sich eine bemerkenswerte Spielregel, die durch Ehrlichkeit aufhorchen lässt: Man bedankt sich beim kleinen deutschen Spieleverlag "Adlung", der bereits vor einiger Zeit unter dem Titel "Verräter" ein Spiel von Marcel-André Casasola Merckle herausgebracht hat, von dem das Element der Charakterkarten übernommen wurde. Wahrscheinlich ist diese Ehrlichkeit der Teil in diesem Spiel, denn man in der Realität wohl am wenigsten findet!

Birgit und Peter Költringer

Titel

Ohne Furcht und Adel

Hersteller

Hans-im-Glück-Verlag

Erfinder

Bruno Faidutti

Design

J.Delval, F.Magnin, J-L Mourier

Spieldauer

ca. 90 Minuten

Spieler

3 - 7, ab 10 Jahren

Kategorie

Kartenspiel

Preis

ca. 130,-- öS

Bewertung:

Idee

6

Regelgestaltung

6

Ausführung

6

Verarbeitung

5


Copyright Peter und Birgit Költringer 2002

Dieser Spieletest wurde von Univ.Prof.Dr.Peter und Birgit Költringer geschrieben und beinhaltet daher auch ihre eigene Meinung. Er erscheint auch in ihrer wöchentlichen Spielerezension in den Salzburger Nachrichten (http://www.salzburg.com/sn). Eine Verbreitung ist unter Quellenangabe gestattet, sofern die Autoren, die Erscheinungsquelle und die Rezension nicht verändert wurde und weiter die Autoren davon Kenntnis und ein Belegexemplar erhalten.

Die Autoren haben mit keinem Spielzeughersteller berufliche Verbindungen und sind völlig unabhängig. Anfragen sind über EMail an spiele.koeltringer@utanet.at zu richten.