LUDING

GUINNESSREIF: SPEED

Man könnte meinen, man habe es mit zwei Wahnsinnigen zu tun, die ihre Aggressionen abreagieren oder aber mit zwei geistig etwas minderbemittelten Exemplaren der Spezies Mensch, die sich gerade mit einem neu erfundenen Spiel unter dem Titel "Karten niederhauen" königlich amüsieren. Denn die einzige Spielregel scheint zu sein, möglichst schnell alle Karten mit maximaler Gewalt auf den Tisch zu schleudern. Ganz so falsch liegt man dabei auch nicht, vor allem wenn es um die Spielregel geht. Doch die Teilnehmer an dieser Art des Spieles sind weder verrückt noch zurückgeblieben. Es sind die üblichen Personen, welche gerne spielen. Und sie haben gerade ein Spiel versucht, das wohl das schnellste Kartenspiel der Welt ist. Auch für das Guinnessbuch der Rekorde wurde es bereits eingereicht; noch ist nicht bekannt, ob es dort aufgenommen wird, doch es darf wohl angenommen werden. Jedenfalls liegt der Rekord derzeit bei 21 Sekunden. Wie lächerlich nimmt sich da doch die Angabe auf der kleinen Schachtel aus: Drei bis fünf Minuten soll die durchschnittliche Spieldauer betragen! Wahrscheinlich wurde dieses Spiel, das verständlicherweise "Speed" heißt, mit Weinbergschnecken in Urlaubsstimmung getestet, denn anders ist so ein Ergebnis nicht erklärbar. Doch es ist eigentlich auch egal, denn sicher haben auch diese Schnecken großen Spaß daran gehabt.

Aber nicht nur "Speed" sondern auch seine Spielanleitung ist kurz. Üblicherweise dauert es zwischen 20 und 40 Sekunden, bis man weiß, worum es geht: Jeder Teilnehmer muß von seinem Kartenstapel alle Karten so rasch wie möglich auf zwei neue Stapel in der Tischmitte ablegen, wobei es drei Kriterien gibt, nach denen man das tun darf: Entweder stimmt das Symbol mit der darunterliegenden Karte überein, oder aber die Anzahl ist gleich, oder die Farbe bleibt unverändert. So darf zum Beispiel auf eine Karte mit einem Kreuz durchaus eine weitere mit fünf Kreuzen gelegt werden, wobei dann die Farbe und die Anzahl egal ist. Oder aber man kann auf eine Karte mit einem Kreuz eine mit einer Fahne legen, wobei dann das Symbol und die Farbe egal ist. Oder aber es folgt auf eine Karte mit einem grünen Kreuz eine andere mit fünf grünen Häusern. Hier ist dann das Symbol und die Anzahl egal. Ist doch wirklich einfach, finden Sie nicht auch?

Hoffentlich haben Sie die letzten Sätze ausreichend rasch verwirrt, denn dann sind Sie reif für eine Runde "Speed" und die sollte man sich unter gar keinen Umständen entgehen lassen. Auch dort geht es einem ähnlich. Wenn man seine erste Runde mit jemandem spielt, der schon einige Versuche hinter sich hat, dann entsteht meist der sogenannte "Kanincheneffekt": Starr und unbeweglich sieht man zu, wie der andere seine Karten scheinbar völlig ohne System in affenartigen Tempo auf den Tisch haut, um schließlich "fertig" zu rufen und sein Gegenüber triumphierend anzublicken. Doch bereits bei der zweiten Runde kann sich das Blatt wenden und aus dem starren Kaninchen wird der Angreifer. Gleichzeitig setzt auch die Sucht ein: Die Sucht nach der maximalen Geschwindigkeit. Sie hält mit Sicherheit einige Zeit ungebrochen an.

Leider haben viele österreichischen Spielgeschäfte noch nicht begriffen, daß dieses neue unscheinbare Kartenspiel aus dem deutschen Kleinverlag Adlung tatsächlich rekordverdächtig ist, sodaß es häufig erst bestellt werden muß und nicht lagernd ist. Doch wir hoffen, daß sich das bald ändert, denn wer einmal eine Runde von diesem kleinen Spiel hinter sich hat, kann es so schnell nicht wieder lassen!

Copyright Peter und Birgit Költringer 2002

Die Autoren haben mit keinem Spielzeughersteller berufliche Verbindungen und sind völlig unabhängig. Anfragen sind über EMail an spiele.koeltringer@utanet.at zu richten.