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WAS TILL EULENSPIEGEL MIT EINER VOGELHOCHZEIT ZU TUN HAT


Titel: Till Eulenspiegel
Hersteller: Mattel
Spieldauer: 20 - 30 Minuten
Spieler: 2 - 5, ab: 6
Kategorie: Merkspiel
Preis: 250,-- ÖS bis 300,--
Bewertung: **** (sehr gut)

Titel: Flieg zu mir
Hersteller: Piatnik
Spieldauer: 20 - 30 Minuten
Spieler: 2 - 6, ab: 6
Kategorie: Merkspiel
Erscheinungstermin: ca. März 1990
Preis: noch nicht festgelegt
Bewertung: **** (sehr gut)

Die Fähigkeit der Lebewesen, sich Dinge zu merken, ermöglichte die Evolution des Lebens auf unserer Erde. Der Hase weiß nach seinem ersten Kontakt mit dem Fuchs, der ihn gejagt hat, daß es besser ist, rechtzeitig zu verschwinden um zu überleben. Auch der junge Hund merkt sich die Katze, die ihn mit den Krallen gekratzt hat und sieht sie ab nun als Feindbild. Jeder Mensch hat zu diesem Thema im Laufe seiner Kindheit die entsprechenden Erfahrungen gesammelt: Eine Herdplatte wird meist nur einmal vom Sprößling angegriffen, auch eine Nadel greift man aus Erfahrung nicht an der Spitze an und man ist bei schlechter Beleuchtung vorsichtig, da man einerseits unsicher ist und andererseits weiß, daß das Risiko viel größer ist, sich zu verletzen. Doch zwischen diesen alltäglichen, oft unbewußt ausgeführten Handlungsweisen des Erwachsenen und dem Training der Merkfähigkeit beim Kind liegen viele Welten: Das Merken von Dingen nach ihrem Aussehen ist in unserem Kulturkreis nicht mehr so notwendig wie bei den Völkern, die im Urwald leben. Ob bei uns im Garten ein Ast geknickt ist oder nicht ist Nebensache. Für einen Eingeborenenstamm hingegen kann dies unter Umständen eine wesentliche Bedrohung darstellen. Ebenso ist es für uns gleichgültig, ob im nassen Gras Fußspuren zu sehen sind, der Urwaldbewohner, der ständig um seine Existenz fürchten muß, wird diesen Fußspuren ungeheuere Bedeutung beimessen. Er wird sich darüber hinaus auch die Frage stellen, welche Art von Lebewesen diese Spur verursacht hat, ob sie frisch oder alt ist und ob sie von einem oder mehreren verursacht wurde und so weiter. Diese Merkfähigkeit von Strukturen benötigt jedes Kind, um später einmal auf Anhieb einen kleinen Hund von einem großen Meerschweinchen unterscheiden zu können und um zu erkennen, daß ein Stein von der Gestalt her unter Umständen einem Apfel ähnlich sehen kann, jedoch das eine essbar und das andere ungenießbar ist. Unter den Kinderspielen gibt es eine ganze Reihe von Merkspielen, die sich mit der Struktur von Dingen beschäftigt. Neben den ganz einfachen, welche das Wiedererkennen einer Karte oder eines Gegenstandes für sich allein zum Ziel haben, gibt es auch Spiele, die das Merkspiel in ein Thema verpackt beinhalten. Dies wird von den Kindern meist sehr begrüßt, da dadurch das spielerische Lernen besonders gefördert wird. Die beiden Spiele "Till Eulenspiegel" und "Flieg zu mir" zeigen dieses Lernen im Spiel besonders hervorragend.

"Till Eulenspiegel" wurde von Karl Heinz Schmiel erfunden und ist seit 1988 auf dem Markt. Auf dem Spielbrett ist ein Marktplatz dargestellt, über den ein Seil gespannt ist. Jeder Spieler erhält eine Spielfigur und vier bis fünf Karten, die er verdeckt vor sich auf den Tisch legt. Entlang des Seiles werden Holzplättchen gelegt, auf denen unterschiedliche Schuhe dargestellt sind: Da gibt es einen Bürgermeisterschuh, einen Bettlerschuh, einen Stiefel, einen Tänzerinnenschuh und einen Pantoffel. Auf den verdeckt liegenden Karten sind die gleichen Schuhe abgebildet. Vor jeder Runde schlägt man seine linke Karte auf, damit sie alle sehen können und gibt sie dann dem Nebensitzenden weiter, der sie verdeckt vor sich ablegt. Jeder Spieler fährt nun mit seiner Figur entlang der Holzplättchen und muß die dazu passende Karte bei sich oder einem der anderen Spieler aufschlagen. Doch das ist gar nicht einfach, da ja die Karten ständig weitergegeben werden und so in jeder Runde weiterwandern. Es kommt damit also nicht nur auf das Merken von Gegenständen sondern auch auf das Mitdenken an, wo diese Gegenstände nach mehreren Runden liegen. Sieger ist, wer als Erster das Seil überschritten hat, doch je näher man dem Ziel kommt, desto schwerer wird es: Man muß zwei oder gar drei Stück Schuhe finden, die gleich sind.

Das zweite Spiel ist brandneu: In "Flieg zu mir" von Hermann Seitz müssen verschiedene Plättchen mit Vogelabbildungen auf unterschiedliche Bäume am Spielbrett gelegt werden. Von jeder Vogelart gibt es Männchen und Weibchen. Wer weiß, auf welchem Baum die beiden zusammenpassenden Vögel liegen, kann Vogelhochzeit machen und die beiden Plättchen gehören ihm. Hier wirkt erschwerend, daß man die Plättchen nur umdrehen darf, wenn der Vogel gleichzeitig zu einem anderen Baum fliegt. Daher muß man sich in diesem Spiel merken, wohin jeder Vogel fliegt. Gewonnen hat der, welcher zuletzt am meisten Vögel besitzt.

Im Vergleich zu "Till Eulenspiegel" bietet das Merkspiel mit den Vögeln noch zusätzlich das Erkennen der typischen Vogel- und Baumarten, die so ganz nebenbei miterlernt werden können. Aus dieser Sicht lohnt sich "Flieg zu mir" daher doppelt. Verbesserungsfähig erscheint hier lediglich die recht dünne Kartonqualität der Verpackung und des Spielbrettes.

Wer nach diesen beiden Spielbeschreibungen glaubt, daß Merkspiele nur etwas für Kinder sind, liegt völlig falsch: Der Versuch, auch nur annähernd mit dem Nachwuchs konkurrieren zu können, schlägt bei den meisten Erwachsenen hochgradig fehl: Denn wir wissen zwar viele Details, die wir täglich brauchen, doch wer merkt sich schon, wo verschiedene Schuhe liegen oder auf welchem Baum welcher Vogel sitzt, besonders wenn sich die Positionen dauernd ändern? Auf diesem Gebiet sind uns unsere Kinder weit überlegen.

von Dr.Peter und Birgit Költringer


Copyright Peter und Birgit Költringer 2002

Dieser Spieletest wurde von Univ.Prof.Dr.Peter und Birgit Költringer geschrieben und beinhaltet daher auch ihre eigene Meinung. Er erscheint auch in ihrer wöchentlichen Spielerezension in den Salzburger Nachrichten (http://www.salzburg.com/sn). Eine Verbreitung ist unter Quellenangabe gestattet, sofern die Autoren, die Erscheinungsquelle und die Rezension nicht verändert wurde und weiter die Autoren davon Kenntnis und ein Belegexemplar erhalten.

Die Autoren haben mit keinem Spielzeughersteller berufliche Verbindungen und sind völlig unabhängig. Anfragen sind über EMail an spiele.koeltringer@utanet.at zu richten.